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Aleksander Bobko "Die Freiheit als seinsweise des guten. Interpretation des konzeptes von Józef Tischner"

Die Freiheit und das Gute gehören zu den Kategorien, die in der europäischen Philosophie und Kultur eine besondere Rolle spielen. Einerseits sind sie schwer definierbar, was in der Zeit der Dominanz der analytischen Philosophie dazu führt, dass sie weniger beachtet werden. Anderseits sind sie eine fortwährende Quelle der Inspiration für die Suche nach neuen theoretischen Lösungen, die ihren Sinn besser erklären würden. Der Artikel soll zu einer solchen Suche beitragen und versucht, die von Józef Tischner in seinem letzten Buch „Der Streit um die Existenz des Menschen” dargestellten Metaphern zu interpretieren – Metaphern, die spannend und unkonventionell die Geheimnisse der Beziehungen zwischen der Freiheit und dem Guten zum Ausdruck bringen sollen.[1] 
Das hier analysierte Konzept Tischners, das sich auf das Problem der „Geburt des Guten“ konzentrieren wird, ist besonders von theologischen Texten inspiriert: einerseits von Meister Eckhart, anderseits von zeitgenössischen Theologen wie Hans Urs von Balthasar und Gisbert Greshake. Beginnen wir mit der außerordentlich wichtigen Definition des absolut Guten: „Das Gute – das absolute Gute – zu sein heißt: ‚unabhängig‘ zu sein von der Güte aller anderer Güter… ‚Unabhängigkeit‘ heißt hier Freiheit. Es ist undenkbar, dass das absolute Gute ein relatives und daher abhängiges Gutes wäre. Freiheit ist die Grundeigenschaft des Guten“.[2] Man kann Tischner hier natürlich vorwerfen, dass er etwas Unbekanntes (das absolut Gute) mit Hilfe eines anderen Unbekannten (Freiheit) erklärt, dass er das Gute als Subjekt betrachtet, weil Freiheit nur einem Subjekt zugeordnet werden kann. Obwohl solche Bedenken durchaus legitim sein könnten, lassen wir uns von Tischners „Logik des Dramas“ leiten und folgen seiner metaphorischen Darstellung des Guten, welches aus der Freiheit heraus handelt.
Das Handeln des Guten drückt Tischner mit Hilfe der Metapher des „Gebärens“ aus. Die Metapher leitet er von seinen Analysen des religiösen Dramas ab und verbindet sie vorwiegend mit der Kategorie der Rechtfertigung. Er schreibt: „Die Rechtfertigung konstituiert zudem die Vorbedingungen für die Geburt des Guten. ‚Geboren‘ wird das Gute als Frucht. Die ‚Befruchtung‘ kam von außen als Erwählung und Rechfertigung”[3]. „Die Geburt des Guten” – die Metapher, die hier erscheint, soll zeigen, dass das Gute in besonderer Verbindung mit der Freiheit steht und gerade in dieser Relation zeigt sich der bisher nicht erkundete Reichtum an Bedeutungen der beiden Begriffe. Die Metaphorik scheint
in gewissem Maße von Meister Eckhart entlehnt zu sein, dessen Worte „Das Gutsein gebiert sich und alles, was es ist, in dem Guten“ Tischner auf folgende Weise kommentiert: „Das ‚Seiende‘ emaniert nicht aus der Güte wie das Licht aus der Kerze. Es ‚folgt‘ auch nicht deduktiv als Schlußfolgerung aus Prämisen. Jenes ‚Gebären‘ lässt dagegen an Bewusstsein und Freiheit denken. Man kann nichts unbewusst gebären. Man kann nicht gebären, ohne es zu wollen.“[4] Das Gute handelt nicht reaktiv, kann nicht als Antwort auf eine Folge
von Geschehnissen verstanden werden, die früher stattgefunden haben; es ist auch kein Ergebnis von Anregungen und Impulsen, die ein festgelegtes Ziel anstreben.  Das Wirken des Guten unterbricht die Kontinuität der früheren Struktur – „gebären“ bedeutet, dass es einen völlig neuen Anfang schafft, der sich nicht davon ableiten lässt, was schon früher da war. Das Paradox besteht jedoch darin, dass – gegenüber dem, was die oben angeführten Äußerungen vermuten lassen - das neu geborene Gute nichts Neues ist, was ex nihilo kreiert worden wäre. Es war schon immer da und die Neuheit besteht darin, dass es enthüllt wird und in vollem Glanz leuchtet: „Und geboren wird, was zuvor bereits da war. Es war jedoch so da, als wäre es nicht dagewesen. Geboren werden heißt ‚ans Licht treten‘, ‚das Licht erblicken‘.“[5] 
Bei diesem paradoxen Prozess des Gebärens spielt gerade Freiheit eine besondere Rolle, weil Freiheit gewissermaßen das Kreieren eines neuen Anfangs möglich macht, sich also vom Druck verschiedener Bedingtheiten abgrenzt und auf das ursprünglich Gute stützt. 
In der philosophischen Tradition wurde Freiheit oft mit Macht gleichgesetzt – frei sein bedeutete, genügend Kraft zu haben, um eigene Vorhaben entgegen allen äußeren Einschränkungen erfolgreich durchzusetzen. Freiheit kann auch als die Möglichkeit verstanden werden, eine Wahl treffen zu können – gegeben sind verschiedene alternative Lösungen und der Mensch ist fähig, die bestehenden Möglichkeiten rational zu überdenken und diejenige zu wählen, die ihm optimal erscheint. Tischner distanziert sich in den hier durchgeführten Analysen von einer solchen Auffassung von Freiheit, seine Intuition steht der Formel von Bergson am nächsten: „Freiheit bedeutet, sich selbst in Besitz nehmen“. Mit dem neuen Anfang hat der Mensch die Möglichkeit, wieder er selbst zu werden. Tischner verbindet den Gedanken mit der von ihm eingeführten Gegenüberstellung von Ontologie  und Agathologie: „Der Mensch kann immer wieder von neuem anfangen. Dies bedeutet jedoch nicht den vollständigen Bruch mit dem, was war. Die ontologische Identität bleibt bestehen, es ändert sich die dramatische, agatologische Identität… Vereinfacht läßt sich sagen: Ontologische Dauerhaftigkeit wird agatologischer Andersheit gegenübergestellt.“[6] Durch die  Freiheit kann der Mensch auf zwei Ebenen funktionieren. Seine substantielle Identität behaltend – indem er immer noch das gleiche Sein ist – kann er seiner Person einen neuen dramatischen Sinn verleihen, er kann bewirken, dass in ihm eine neue Dimension des Guten, die eigentlich nicht unbedingt neu ist, jedoch eine bis jetzt unsichtbar war, zum Vorschein kommt. Indem der Mensch er selbst bleibt, gelangt er in einen Raum ganz anderer Relationen, die ihm früher absurd und unmöglich vorgekommen sind.
Die hier skizzierte Metapher kann durch die Problematik der Bekehrung veranschaulicht werden. Tischner bedient sich zweier verschiedener Metaphern, die beide die Bekehrung zum Thema haben. Die erste vergleicht unsere Situation mit der eines Menschen, der sich in einer unbekannten Gegend verlaufen hat. Wir haben gerade festgestellt, dass wir uns verirrt haben, dass wir uns in einer falschen, unserer Natur und unseren Erwartungen fremden Gegend befinden. Wir müssen aufmerksamer werden und umkehren, den eigenen Spuren folgend an den Ort kommen, von dem aus wir den richtigen Weg einschlagen können. Die Philosophie Platons lässt Tischner das menschliche Schicksal in diesem Sinne verstehen. Der Übergang von Täuschung zu Wahrheit – Befreiung aus den Fesseln, die den Menschen in der Höhle der Täuschung festhalten – geschieht aus eigener Kraft des Subjekts. Dieser Übergang besteht vor allem darin, dass das Vertrauen in die Sinne durch die Berufung auf die Vernunft ersetzt wird – nur die Vernunft vermag den Schein aufzudecken und zum wahren Wesen der Dinge zu gelangen, nur die Vernunft kann anhand von selbst erstellten Maßstäben (in Bezug auf sich selbst) Ordnung schaffen. Als Verwirklichung der auf diese Weise verstandenen Symbolik der Bekehrung kann man die Ideen der Aufklärung interpretieren, in der die Geburt eines „neuen Menschen“ mit der Überzeugung verbunden war, dass der Mensch endlich erwachsen wird und den Mut haben wird, sich der eigenen Vernunft zu bedienen. Im Rahmen dieser Metaphorik bleiben wir bei Prinzipien des ontologischen Denkens.
Tischner ist aber mehr an einer anderen Auffassung des Wesens der Bekehrung interessiert, einer Auffassung, die uns ins Zentrum des agathologischen Denkens einführt.  Sie findet ihren Ausdruck zum Beispiel in der Geschichte des Saulus, der sich bekehrt und zum heiligen Paulus gewandelt hat: „Für Platon liegt die Freiheit vor allem auf der Ebene, auf der sich unser Verhältnis zu den Dingen entwickelt. Die Dinge machen unfrei, indem sie die Sinne beeinflussen… Anders bei Paulus. Unfreiheit ist das Ergebnis gegenseitiger ‚Verwicklungen‘ der Menschen, und in diese geraten sie aufgrund bestimmter ‚Überzeugungen‘… Für Platon vollzieht sich die Bekehrung ohne eine von außen hinzukommende Gnade. Die Bekehrung vollzieht sich als die ‚Rückkehr‘ des Menschen zur eigenen Natur. Der Mensch wird wieder, was er in Wahrheit ist. Für Paulus gilt: Die eigenen Kräfte reichen dazu nicht aus; gebraucht wird jemand, der die ursprüngliche Sicherheit der Überzeugung erschüttert.“[7] Die Verlorenheit von Saulus – sein Eifer bei der Verfolgung der Christen war sicherlich eine Folge von mehreren Faktoren, dahinter versteckte sich die ganze Geschichte seines Lebens. Aber plötzlich richtet Gott eine Frage an ihn, „warum verfolgst Du mich?“, und mit dieser Frage beginnt das Drama der Bekehrung. Das bisherige „Leben des Subjekts“ wird irgendwie komprimiert – die früheren Entscheidungen, Kalkulationen, Bewertungen scheinen sich in einem Punkt zu konzentrieren. Einerseits werden sie angeprangert – du verfolgst mich – anderseits scheint der Fragende trotz allem auf das im Subjekt enthaltene Gute zurückzugreifen – er spricht Paulus mit „Du“ an und erwartet eine Reaktion, gibt eine Chance, schafft die Grundlage für eine neue Bindung. In diesem Moment wird sozusagen die Kontinuität des Lebens des Subjekts unterbrochen: „Die Bekehrung ist ein ‚Sprung‘, bei dem es keine kleinen Schritte gibt. Der Mensch tritt in eine Grenzsituation ein: entweder–oder. Er wählt. Mit der Wahlenentscheidung stirbt der alte Mensch.“[8]. Dieser Wandel ist etwas Tieferes als die Überprüfung der bisherigen falschen Überzeugungen – „Bekehrung bedeutet daher nicht nur die Berichtigung einer falschen Ansicht, sondern auch die Abwaschung des Brandmals, Verfolger zu sein“.[9]  Es geht hier also um einen radikalen Wandel der Haltung, bei der der intellektuelle Faktor nur einen der Momente darstellt. Zum Symbol und Ausdruck dieses Wandels wird die Annahme eines neuen Namens – Eintritt in den Kreis neuer Relationen.
Der außergewöhnliche Moment lässt nach Tischner auf eine besondere Art und Weise den Übergang von der Rationalität der Ontologie zu Dialogizität, zur Philosophie der Werte (Axiologie) und des Guten (Agathologie) erfassen. In der Frage, mit der die potentielle Bekehrung beginnt, äußert sich – im radikalsten Sinne des Wortes – das bis dahin unsichtbare Gute.
Den Übergang von der Ontologie zur Agathologie, den Moment der „Geburt des Guten“ versucht Tischner am Beispiel der Wahrheitsliebe zu konkretisieren. So ist der Mensch von einer Spirale von Lügen umgeben, er ist mehrmals verraten und betrogen  worden. Und die „einfachste Möglichkeit liegt auf der Hand. Auf die Lüge wird mit einer Lüge geantwortet. Wenn ich Opfer bin, wollen Andere auch Opfer sein…Ich bin nicht deswegen Lügner, weil ich die Lüge liebe, sondern weil die Anderen mich belogen haben. In der Tiefe dieser Wahlenentscheidung ist ein Moment der Gerechtigkeit sichtbar geworden.“[10] Das Prinzip,  mit dem Maß zu messen, mit dem wir selbst gemessen werden, scheint äußerst rational und gerecht zu sein. Da ist der Mensch für die anderen vorhersehbar, der Raum, in dem er lebt, hat seine Ordnung und seine Rationalität. Die Wahrheit, die Tischner zu offenbaren versucht, funktioniert nach einer ganz anderen Logik – in Entgegnung auf die mich umgebenden Lügen kann ich die Wahrheit sagen, ich kann mich für die Wahrheitsliebe, die das Gute ist, entscheiden. Das Subjekt, welches frei ist, kann „einer anderen Erfahrung des Guten Ausdruck verleihen: der großmütigen Anerkennung der Wahrheit, der Wahrheitsliebe. Seine neue Freiheit ist die Seinsweise eines neuen Guten. Jetzt kann er sagen: ich bleibe bei der Wahrheit.“[11]
Unabhängig davon, wie sehr der Mensch durch die Lüge betrogen und verachtet wurde, hat er die Möglichkeit, den Teufelskreis zu durchbrechen  und die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit wird zur „Seinsweise des Guten“: der Mensch, der wesentlich nichts ändert und seine persönliche Identität bewährt, zeigt sein neues Antlitz – er sagt die Wahrheit. Das hier erscheinende Paradox wird von Tischner folgendermaßen beschrieben: „Nur Gutes ist und ist zugleich nicht. Wahrheitsliebe ist in der Welt der Lüge, zugleich ist sie nicht. Sie ist nicht, weil überall Lüge ist. Und doch ist sie gewissermaßen, da sie – wenn sie erwählt wird – nicht aus dem Nichts kommt. Aus der Tiefe der Person tritt sie ans Licht.“[12] Freiheit schafft nichts, sie lässt nur das zum Vorschein kommen, was schon früher da war, aber verborgen blieb.  In diesem Sinne wirkt die Freiheit vor allem im Inneren des Subjekts, in diesem Sinne ist Freiheit „vor allem das Problem des Wirkens ‚nach innen‘. Wie kann das Seiende ‚etwas‘, was unmöglich erscheint, ‚mit sich selbst machen?‘[13] Freiheit als Seinsweise des Guten  macht die Existenz des wahren Antlitzes des Subjekts möglich – bewirkt, dass ich auch gegen die äußeren Bedingtheiten gut sein kann.
Spricht man über Tischners Auffassung von den Bezügen zwischen der Freiheit und dem Guten, sollte man noch einen wichtigen Faktor berücksichtigen – charakteristisch für  agathologische Relationen ist ihre „Asymmetrie“. Im Gegensatz zum ontologischen Denken sollte hier die potentielle Identität der rationalen Subjekte nicht vorausgesetzt werden – „ich kann von meinem Nächsten nicht dasselbe verlangen, was er von mir zu verlangen berechtigt ist.“[14] Weder das, was der Mensch als Ergebnis des Handels der Anderen bekommt, noch das, wozu er aufgefordert wird und womit er die Anderen beschenken soll, kann Folge der bisherigen Kette von Ursachen und Wirkungen sein. Und wenn die Vergangenheit berücksichtigt werden wollte, müsste das umgekehrt gemacht werden, als allgemein angenommen, also nach dem Prinzip: „Je weniger der Andere die Hingabe verdient, um so mehr gilt es, sich ihm hinzugeben.“[15] In die Sphäre des „asymmetrischen“ Denkens führt uns die christliche Kategorie der Gnade ein. Tischner ruft diese Tradition auf: „Im Wesen der Gnade liegt es, dass sie keine Gegenleistung erfordert, und nicht nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit erteilt wird.“[16] Auf diese Weise wird die aus der Freiheit geborene „Logik des Guten“ ausgezeichnet illustriert.
 
Die gerade analysierten Metaphern, mit deren Hilfe Tischner das Verhältnis des Guten und der Freiheit erfassen möchte, bewegten sich innerhalb des Lebens eines Subjekts. Das ist einerseits berechtigt, denn „das innere Leben der Person ist ein konkretes Abbild des Drama des Guten”[17], wie der Krakauer Philosoph schreibt. Anderseits kann eine solche Betrachtung des Problems irreführend sein. Das Drama des Guten beschränkt sich nicht auf das Subjekt und konzentriert sich auch nicht darauf. Sein Wesen beruht auf der Herstellung  einer Art neuer zwischenpersonaler Bindungen. Das Leben des Subjekts ist lediglich eine Abbildung und etwas Konkretes, in dem nichtontologische Relationen zum Ausdruck kommen. Das wirkliche Drama des Guten spielt sich in einem zwischenpersönlichen Raum ab.
In diesem Sinne charakterisiert Tischner die tiefste Bedeutung der Freiheit: „Freiheit ist zuerst und vor allem eine dramatische Kategorie, denn sie tritt zwischen den Menschen – genauer zwischen den Personen – zutage. Ursprünglich ist sie weder in mir noch in dir, sondern ‚zwischen uns‘. Wir sind frei in Bezug aufeinander.“[18]. An einer anderen Stelle schreibt er: „Die konkrete Gestalt der Freiheit entwickelt sich aus der Beziehung zu einer anderen endlichen Freiheit sowie zur unendlichen Freiheit. Hier liegt ein ‚Dreieck‘ vor: ich–er–du. Der Gipfel dieses Dreiecks reicht in die Ewigkeit, während seine Hypotenuse in der Zeit eintaucht. Dass die Freiheit reift, verdankt sie dem dramatischen ‚Spiel‘ zwischen den verschiedenen Formen der Freiheit des Anderen, zwischen endlicher und unendlicher Freiheit.“[19] In diesem von der Theologie Urs von Balthasars inspirierten Text gelangt Tischner in die „höheren Regionen“ der Darstellung seiner Metaphern, die das Wesen des Verhältnisses von Freiheit und Gutem darstellen. 
In der Feststellung, dass die Freiheit zwischenpersönliche Beziehungen betrifft, liegt nichts Ungewöhnliches. In der Regel wird aber diese Feststellung so verstanden, dass die Freiheit als Besitz des Einzelnen zum potentiellen Konfliktherd wird – wenn jede einzelne Person versucht, ihre Vision frei zu verwirklichen, muss sie mit den analogen, aber doch entgegengesetzten Bestrebungen anderer Personen zusammenstoßen. Das Streben nach der Herrschaft über die Anderen, das Aufzwingen des eigenen Willens zur Sicherung eigener Interessen scheint unter diesen Umständen, normal zu sein. Die so verstandene Freiheit des Menschen liegt im Interessenbereich der politischen Philosophie. In der Neuzeit soll sich die soziale Ordnung auf eine Form von ausgehandeltem Kompromisses stützten, auf eine Vereinbarung über die Bedingungen, unter denen jeder – wenn auch in begrenztem Maße – die Freiheit realisieren kann. 
In Tischners Vision ändert sich diese Situation jedoch radikal.  Die Freiheit gehört ja nicht zur Struktur des Subjekts, sie kommt erst in der Beziehung zu einem anderen Subjekt zum Vorschein. „Freiheit entsteht aus der Verbundenheit mit einer anderen Freiheit“ und entgegen traditioneller Denkweise muss die Beziehung beider Freiheiten nicht unbedingt zu einem Konflikt führen.  Nach Tischner ist es gerade umgekehrt – in dieser Relation können wir erst richtig erkennen: „Freiheit ist die Seinsweise des Guten“: „Ich bin frei, wenn ich dem Anderen Freiheit zugestehe. Wirklicher Selbstbesitz ist jedoch erst dann möglich, wenn ich darauf verzichte, von Anderen Besitz zu ergreifen. Wenn ich den Anderen sein lasse, wie er ist, dann erfahre ich das Gute der eigenen Freiheit und ‚habe mich selbst‘.”[20] Nach Tischners Auffassung ist Freiheit ein Mittel, das dazu dient, dass das Gute in dem Anderen  zum Vorschein kommen kann. Die Freiheit eines Subjekts ist keine Gefahr für das andere, ist aber eine Vorraussetzung dafür, dass die Freiheit des anderen Subjekts ein Mittel zum Beschenken der Anderen wird. Auf diese Weise entsteht eine Gemeinschaft der Großzügigkeit, in der es darum geht, dass man sich gegenseitig beschenkt, dass „deine Freiheit geschehe“ und zum Gegenstand der Sorge wird. – „Die Freiheit legt den Grund für die Gabe. Dies stellt unseren irdischen Begriff des ‚Anderen‘ in ein neues Licht. Der Andere zeigt sich mir nun als derjenige, dem ich mich opfernd hingeben kann und der auf die Gabe mit einer Gabe antworten kann.“[21]
Es soll noch einmal hervorgehoben werden, was schon mehrmals gesagt wurde. Das religiöse Denken Tischners ist stark von der christlichen Theologie und in letzter Instanz sogar von der Mystik inspiriert. Die Formel „Deine Freiheit geschehe” ist ein Versuch, das christliche Geheimnis von Inkarnation und Erlösung zu konkretisieren.  Die Vorstellung einer Ordnung, in der die zwischenmenschlichen Beziehungen das gegenseitige großzügige Beschenken wären, unterscheidet sich markant von unseren täglichen Erfahrungen. Sie hat ihren Ursprung in der Religion – ist „nicht von dieser Welt“. Sie öffnet sich vor allem auf die Unendlichkeit des Guten. „Die endliche Freiheit erwacht und reift durch die Vermittlung der unendlichen Freiheit. Damit jedoch eine solche ‚Vermittlung‘ möglich wird, muss im Inneren der endlichen Freiheit eine wie auch immer beschaffene Empfänglichkeit für das Unendliche, ein gewisses ‚Unendlichkeitsmoment‘ auftauchen.“[22] Die christliche Tradition zeigt hier besonders deutlich das sich abspielende Drama zwischen Mensch und Gott sowie ein sehr konkretes Beispiel für die Bindung, die das endlich Gute des Menschen mit dem unendlich Guten des Absoluten verbindet: „Der ‚klassische Fall‘ erfüllter Begegnung zwischen endlicher und unendlicher Freiheit ist Jesus Christus. Die in Jesus erfüllte Begegnung, die gegenseitige Durchdringung von Göttlichem und Menschlichem bildet den Gipfelpunkt der Heilgeschichte.“[23]
Gott erlaubt dem Menschen Mensch zu sein – er sagt zu ihm, „wenn du willst, folge mir“. Man kann das so verstehen, dass das unendlich Gute Bedingungen dafür schafft, dass der Mensch zugleich er selbst und gut sein kann. In der christlichen Tradition äußert sich die Determiniertheit des Absoluten im Geheimnis der Verleiblichung – Gott wird Mensch und opfert sich selbst für den Menschen. Im Akt der Erlösung – auf dem Höhepunkt des religiösen Dramas – erscheint das unendlich Gute. Der Mensch als das endliche Subjekt soll dieses Verfahren wiederholen – er soll dem Anderen das Menschsein erlauben. Und wenn er dann sagt „deine Freiheit geschehe“ und die auf diesem Prinzip basierenden, zwischenmenschlichen Relationen entstehen lässt,  kommt die Tiefe des Guten zum Vorschein, sowohl die des handelnden Menschen als auch die seines Nächsten. 
Tischners Vorschlag, der in der Formel „deine Freiheit geschehe” enthalten ist, scheint die traditionell verstandene Idee der Autonomie des Subjekts (des Menschen) in Frage zu stellen – eine Idee, die eines der Grundaxiome der zeitgenössischen Philosophie bildet und sich auch im alltäglichen Leben verwenden lässt.  Tischner selbst legt einen enorm großen Wert auf die individuelle Freiheit, die er als konstitutives Element der Identität des Subjekts betrachtet. Doch die Freiheit und damit auch das Subjekt werden letztlich als ein eigenartiges Medium interpretiert, dank dessen das Gute verwirklicht werden kann: „Freiheit ist die Seinsweise des Guten“, Freiheit ist dazu da, damit das Gute aus seinem Versteck herauskommen kann. „Das Leben des Subjekts“ wird also in diesem Sinne relativiert, dass seine innere Dynamik nicht als Ursprung und endgültiger Bezugspunkt  verstanden wird, sondern als die Wirkung einer Kraft, die dem Subjekt gegenüber transzendent ist. Auf diese Weise wird das Subjekt zum Bestandteil eines das Subjekt überschreitenden Systems.  Das Gute ist jedoch keine „anonyme Kraft“, die willenlose Atome schweben lässt. Das Gute wirkt nur durch die Freiheit, das Gute muss vom autonomen Subjekt gewählt werden. Der Raum, in dem das Gute wirkt, weist nicht die Struktur eines Stroms auf, der nach der eigenen Logik fließt und alles verschlingt, was seinen Weg kreuzt. Die Wählbarkeit des Guten bewirkt, dass der Raum nach dem Prinzip eines „Netzwerks“ zwischen den das Gute wählenden Personen organisiert werden muss. Dann kann sich das Gute verwirklichen – aus seinem Versteck herauskommen – aber nur im Rahmen einer komplexen Struktur, deren „Verbindungsknoten“ die sich gegenseitig beschenkenden Subjekte sind. Dieser Mechanismus bildet die Grundlage für eine intersubjektive Gemeinschaft.  
Bei Tischner konkretisiert sich diese Intuition in der Beschreibung verschiedener dramatischer Geschehnisse, die sich unter den Menschen abspielen. Die Beschreibungen haben zum Ziel, eine Idee zu erörtern, die wieder stark von der dialogischen Tradition geprägt ist, ganz besonders von Emanuel Levinas: Indem ich mich selbst für einen Anderen opfere, werde ich ich selbst, und je mehr ich dem Anderen erlaube er selbst zu sein, desto mehr bin ich ich selbst. Zum Höhepunkt dieser Denkweise wird die Formel „Deine Freiheit geschehe” – die Freiheit eines Menschen und seine Identität können nur die Folge der einem Anderen geschenkten Freiheit sein. Das Resultat einer auf diese Weise funktionierenden „Logik des Guten“ – welche Tischner einer in der traditionellen Philosophie dominierenden Existenzlogik gegenüberstellt –  ist die radikale Asymmetrie der intersubjektiven Beziehungen.
In der auf einer subjektbezogenen (politischen) Denkweise basierenden Gemeinschaft konnte jedes Subjekt voraussetzen, dass alle anderen Subjekte dazu in der Lage sind, die gleiche rationale Kalkulation durchzuführen wie es selbst. Demzufolge ließen sich die Beziehungen zwischen den Subjekten auf innere Relationen reduzieren – dem Anderen soll ich das zugestehen, was ihm zusteht, aber als Kriterium nehme ich das, was mir zusteht. Das Denken verläuft nach einem Muster, das der Gemeinschaft vollkommene Symmetrie verleiht. In dem Raum, den Tischner beschreibt – dem von der Freiheit und dem Guten geordneten Raum – wird die Symmetrie aufgehoben. Jedes Subjekt des intersubjektiven Raumes muss als radikal anderes anerkannt werden im Vergleich zu allen anderen. Es lässt leicht festzustellen, dass wir es hier mit einem Paradox zu tun haben.  In der Regel wird angenommen, dass die neuzeitliche Subjekt-Philosophie, deren „echtes Kind“ der politische Liberalismus ist, zu einem extremen Individualismus führt und die Religion eher die Unterschiedlichkeit zwischen den Individuen eliminiert, um eine Gemeinschaft zu bilden. Hier gelangen wir aber zu dem Schluss, dass gerade die Symmetrie subjektivistischen Denkens blind ist für die Unterschiede zwischen den Subjekten, wohingegen uns das religiöse Denken in den Bereich der Geheimnisse der unwiederholbaren Individualität führt. Die Konsequenz ist eine moralische Forderung, dem Anderen ganz einfach alles zu geben – ohne auf die Bedürfnisse anderer zu achten, ohne den eigenen Bedarf zu berücksichtigen: Ich bin verpflichtet, mich ganz dem Anderen aufzuopfern.
Vom Standpunkt eines gesunden Menschenverstandes aus gesehen scheint eine solche Forderung absurd zu sein – hier soll aber die „Logik des Guten“ wirksam sein. Das Aufopfern ist keine Selbstvernichtung, sondern eine paradoxe Selbstbehauptung, eine Wiedererlangung seiner selbst. Die Quelle der Macht ist nämlich das Gute, das durch mich wirkt, und je mehr Gutes es gebiert, desto mehr Gutes gibt es. Das Subjekt braucht also nicht zu kalkulieren, rational das zu verteilen, was es besitzt, es muss sich nicht bemühen, die eigene Freiheit vor der Aggression der anderen zu schützen – vor den ihm ähnlichen Subjekten. Das Denken des Subjekts „verlässt sich auf“, das Subjekt ist offen auf die Wirkung des Guten und wird im Netz der intersubjektiven Relationen aktiv, über die es nicht imstande ist – und braucht auch nicht imstande zu sein– selbständig die Kontrolle zu haben.  Dabei ist das Subjekt aber fest davon überzeugt, dass diese Korrelation ihm Rettung bringt, weil das Gute dank seiner Freiheit geboren wird. 
 
[1] Weitere Analysen des obengenannten Problems sowie anderer Fragen zu Tischners Konzept des religiösen
   Denkens sind in meinem Buch Myślenie wobec zła (Kraków 2007) enthalten.
[2] Józef Tischner, Der Streit um die Existenz des Menschen, Berlin 2010,  S. 295.
[3] Ebd. 224.
[4] Ebd. 297.
[5] Ebd. 304.
[6] Ebd. 329.
[7] Ebd. 228f.
[8] Ebd. 233.
[9] Ebd. 234.
[10] Ebd. 330.
[11] Ebd. 332.
[12] Ebd. 334.
[13] Ebd. 318.
[14] Ebd. 195.
[15] Ebd. 203.
[16] Ebd. 216.
[17] Ebd. 341.
[18] Ebd. 322.
[19] Ebd. 345.
[20] Ebd. 350.
[21] Ebd. 356.
[22] Ebd. 345.
[23] Ebd. 347.



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